Swissmedic informiert:

Hintergründe der Sistierungen vom Oktober 2019
Swissmedic hat am 1. Oktober 2019 die Sistierung der Betriebsbewilligungen und aller Arzneimittelzulassungen der Amino AG und der Dr. Heinz Welti AG verfügt, nachdem bekannt geworden war, dass der Geschäftsinhaber (zugleich die fachtechnisch verantwortliche Person) erstinstanzlich wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittel- sowie das Chemikaliengesetz verurteilt worden war (das Berufungsverfahren war damals hängig). Wiederholte Bestrebungen von Swissmedic, die Firmen zu veranlassen, je eine neue, vertrauenswürdige fachtechnisch verantwortliche Person (FvP) anzumelden, waren erfolglos, weshalb Swissmedic schliesslich die Bewilligungen und Zulassungen beider Firmen sistierte. Im Interesse der Versorgungssicherheit verzichtete Swissmedic jedoch auf einen Rückruf der von den Firmen bereits verkauften Arzneimittel. Die Amino AG und die Dr. Heinz Welti AG führten gegen die Sistierungsverfügungen in der Folge Beschwerdeverfahren durch. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung dieser Verfahren konnten die Firmen zwar ihre bewilligungspflichtigen Tätigkeiten weiterhin ausüben, mussten jedoch auch damit rechnen, bei Unterliegen vor Gericht umgehend eine valable neue FvP zur Genehmigung zu beantragen, um weiterhin herstellen und vertreiben zu dürfen.

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 29. November 2022 (Eröffnung 7. Dezember 2022) diese Beschwerden in letzter Instanz abgewiesen und damit die Verfügung von Swissmedic als korrekt beurteilt. Die im Rahmen der strafrechtlichen Untersuchungen gemachten Feststellungen waren ausreichend, um die Vertrauenswürdigkeit der FvP anzuzweifeln.

Wichtige Rolle der fachtechnisch verantwortlichen Person
Wer Arzneimittel herstellt oder vertreibt, muss gemäss Heilmittelrecht eine Betriebsbewilligung von Swissmedic erlangen. Die Bewilligung wird erteilt, wenn der betreffende Betrieb im Rahmen einer Inspektion nachweisen kann, dass er die geltenden internationalen Qualitätsnormen für die Herstellung und den Vertrieb einhält, und wenn er über eine genügend qualifizierte und vertrauenswürdige FvP verfügt.

Der FvP kommt aus heilmittelrechtlicher Sicht die wichtigste Funktion in einem Betrieb zu. Sie übt die unmittelbare fachliche Aufsicht über den Betrieb aus und ist dafür verantwortlich, sämtliche zum Schutz von Patientinnen und Patienten erforderlichen Massnahmen zu treffen und die Einhaltung der heilmittelrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen. Sie trägt die Verantwortung für die Qualität der von ihrem Betrieb hergestellten Arzneimittel und gibt die hergestellten Chargen frei zum Inverkehrbringen.

Wie das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesgericht in früheren Urteilen wiederholt bestätigt hatten und im vorliegenden Urteil bekräftigen, ist die Vertrauenswürdigkeit der FvP von zentraler Bedeutung. Wenn die Vertrauenswürdigkeit nicht mehr gegeben ist, so sind Qualität und Sicherheit der unter ihrer Aufsicht hergestellten und vertriebenen Arzneimittel in Frage gestellt.

Ein Wechsel der FvP muss von einer Firma als Betriebsbewilligungsänderung beantragt und darf erst nach Genehmigung und Erteilung der neuen Bewilligung umgesetzt werden. Es ist Aufgabe von Swissmedic, die fachliche Qualifikation und Vertrauenswürdigkeit jeder FvP zu überprüfen und auch sicherzustellen, dass der Beschäftigungsgrad einer FvP ausreichend ist, um die unmittelbare Aufsicht zur Einhaltung der heilmittelrechtlichen Verpflichtungen jederzeit zu gewährleisten. Jede neu beantragte FvP wird wegen ihrer erwähnten zentralen Rolle sorgfältig und nach gesetzlich definierten Kriterien beurteilt.

Analoge Regelungen sieht auch das Betäubungsmittelrecht vor.

Nachhaltige Verbesserungen notwendig
Mit dem bundesgerichtlichen Urteil ist die Verfügung von Swissmedic vom 19. Oktober 2019 rechtskräftig geworden. Die Sistierungen der Bewilligungen und Zulassungen der Amino AG und der Dr. Heinz Welti AG gelten solange, bis die Mängel behoben sind und Swissmedic die Sistierung wieder aufheben kann. Wie verschiedenen Medien zu entnehmen war, haben die Firmen nach dem Bundesgerichtsurteil bei Swissmedic eine neue FvP beantragt. Diese Gesuche konnte Swissmedic bis heute nicht bewilligen. Zu den medial bekannt gemachten Verlautbarungen des Geschäftsinhabers kann sich Swissmedic aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht äussern. Sobald die Firmen nachweisen können, dass sie die Konformität mit den heilmittelrechtlichen Bestimmungen wieder gewährleisten können, wird Swissmedic die Sistierung aufheben.  Swissmedic hat den Firmen die geltenden Anforderungen zur Mängelbehebung klar dargelegt.
Die beiden Firmen wissen seit mehr als drei Jahren, dass sie bei Unterliegen vor Gericht sofort eine kompetente und vertrauenswürdige neue FvP anzumelden haben, um einem möglichen Versorgungsengpass vorzubeugen. Die Mängel der bisherigen FvP aufgrund des Strafverfahrens, die zur Sistierung geführt haben, sind gravierend. Die Firmen waren jedoch dazu nicht bereit, weshalb aktuell Versorgungsengpässe drohen.

Heilmittelrechtliche Möglichkeiten zur Überbrückung von Engpässen
Die von der Sistierung betroffenen Firmen sind nicht die einzigen Hersteller dieser wichtigen Arzneimittel. Das Heilmittelrecht bietet verschiedene Optionen an, die Firmen, Spitäler, Apotheken oder Ärztinnen nutzen können, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Firmen können vergleichbare Arzneimittel zur Zulassung anmelden oder bestehende Zulassungen erweitern (z.B. mit neuen Dosisstärken oder neuen Darreichungsformen). Swissmedic wird solche Gesuche der aktuellen Lage entsprechend priorisiert beurteilen. Auch haben Abgabebetriebe wie Spital- oder Offizin-Apotheken die Möglichkeit, entsprechende Präparate für die eigene Kundschaft selbst herzustellen oder im Auftrag herstellen zu lassen. Die Modalitäten für eine Herstellung (sog. Formula-Arzneimittel) sind in Art. 9 Abs. 2 Bst. a-c HMG beschrieben. Weiter ist es für Medizinalpersonen (z.B. Ärzte/Ärztinnen oder Apotheker/Apothekerinnen) möglich, in Deutschland oder anderen EU-Ländern zugelassene Arzneimittel in kleinen Mengen für die eigenen Patienten zu importieren, falls kein alternativ einsetzbares, in der Schweiz zugelassenes Produkt erhältlich ist. Dies ist im Art. 49 AMBV geregelt. Da es sich im vorliegenden Fall um ein Betäubungsmittel handelt, müssen auch die betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Das heisst, dass für den Import eine Einfuhrbewilligung notwendig ist. Entsprechende Gesuche von Medizinalpersonen bearbeitet Swissmedic innerhalb von 1-2 Tagen.

Sicherstellung der Versorgung
Die Sicherstellung der Versorgung der Schweiz mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen ist primär Sache der Wirtschaft. Die Massnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung (WL) kommen stets erst subsidiär zum Tragen. Basierend auf dem Landesversorgungsrecht kann die WL nur dann lenkend eingreifen, wenn die Wirtschaft ihren originären Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen kann und wenn es noch handlungsfähige Unternehmen im Inland gibt. Die WL ist aus heilmittelrechtlichen Gründen beispielsweise nicht in der Lage, ein Kontingent eines Produkts im Ausland zu bestellen. Die Pflichtlager sind stets Eigentum der entsprechenden Firmen und werden aufgrund einer vom Bundesrat verordneten Lagerpflicht gehalten.

Die WL ist von Swissmedic laufend betreffend der Sistierung der Betriebsbewilligungen und Zulassungen der Amino AG/Dr. Heinz Welti AG informiert. Die WL steht in Kontakt zu anderen Dienststellen, Spitälern sowie Unternehmen und unterstützt sie bei der Findung von Lösungen zur Überbrückung der aktuellen Versorgungsengpässe im Heilmittelsektor. So publiziert die WL regelmässig eine Übersicht über die aktuellen Versorgungsengpässe im Heilmittelsektor und führt auch allfällige Handlungsvorschläge, sowie von Bundesseite ergriffene Massnahmen auf (siehe: Aktuelle Versorgungsstörungen (admin.ch)).

Quelle:
Swissmedic, Sistierung Betriebsbewilligungen Amino AG und Dr. Heinz Welti AG

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